Umgang in der Praxis mit Fremdsanktionsregimen unter Beachtung des §7 AWV
Im internationalen Geschäftsverkehr, bspw. bei Konsortialfinanzierungen oder Fondsbeteiligungen, können Nicht-EU-Finanzierungspartner auf die Einhaltung von Fremdsanktionsregime drängen.
Als Fremdsanktionsregime sind Sanktions- und Embargobestimmungen von Nicht-EU-Staaten / Drittstaaten zu verstehen.
Die Abgabe einer solchen Zusicherungen kann einen Verstoß gegen §7 AWV (Stand: Februar 2023) darstellen.
Die Abgabe einer Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr, durch die sich ein Inländer an einem Boykott gegen einen anderen Staat beteiligt (Boykott-Erklärung), ist verboten. Satz 1 gilt nicht für eine Erklärung, die abgegeben wird, um den Anforderungen einer wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme eines Staates gegen einen anderen Staat zu genügen, gegen den auch
1. der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,
2. der Rat der Europäischen Union im Rahmen des Kapitels 2 des Vertrags über die Europäische Union oder
3. die Bundesrepublik Deutschland
wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen beschlossen haben.
Demnach ist es einem in Deutschland ansässigen Wirtschaftsvertreter grundsätzlich untersagt, die Anwendung eines Fremdsanktionsregimes zuzusichern. Einschränkend wirkt hingegen Satz 2, wonach das Verbot einer Boykott-Erklärung nicht gegeben ist, wenn es sich um eine Sanktionsmaßnahme gegen einen Staat handelt, gegen den die Vereinten Nationen (VN), die EU oder BRD ebenfalls wirtschaftliche Sanktionen erlassen haben.
In der korrespondierenden Verordnungsbegründung wird klargestellt, dass es unerheblich sei, ob eine einheitliche außenpolitische Stoßrichtung, zwischen den EU-Sanktionen und Fremdsanktionen besteht oder die betrachteten Sanktionsregime in Teilen, z.B. über Listeneinträge oder betroffenen Sektoren, kongruent sind. In den Fällen, in denen sich jedoch die Sanktionen der VN, EU oder BRD auf gelistete natürliche oder juristische Personen beschränken und nicht spezifisch gegen einen Staat gerichtet sind, begründen diese Listungen keine wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen gegen einen anderen Staat.
Es stellt sich die Frage, wie eine Einhaltung von §7 AWV in der Praxis gewährleistet werden kann, wenn die Vertragspartei die Einhaltung eines Sanktionsregimes verlangt, welches nicht von der Ausnahme nach dem vorgenannten Satz 2 betroffen ist. Entsprechende Instrumente lassen sich aus einem Pressebericht über den Verkauf von Hochgeschwindigkeitszügen eines deutschen Industrieunternehmens an die Türkei entnehmen, für welches durch dieses eine Israel-Boykott-Erklärung gegenüber einer finanzierenden Drittpartei unterzeichnet werden sollte. Wenngleich es zum Ablauf und den gewährten Zusicherungen Gegenpositionen des Industrieunternehmens gibt und sich der Sachverhalt abweichend darstellen kann, zeigt der Bericht anschaulich, welche Handlungsoptionen bestehen.
Option 1: Aufnahme einer Vorbehaltsklausel
Eine Vorbehaltsklausel dient dazu, der Forderung nach Beachtung vorgegebener Standards grundsätzlich zu entsprechen, dies jedoch unter den Vorbehalt zu stellen, dass hierüber kein geltendes Rechts verletzt wird. Hierbei lassen sich §7 AWV oder die EU Blocking Regulation nennen.
Ungeachtet des mitgeteilten Vorbehalts kann die Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung des Vertragspartners und einer faktischen Nicht-Beachtung solcher Standards die Geschäftsbeziehung belasten und weitere Konfliktsituationen verursachen.
Option 2: Ersetzung der Boykott-Erklärung gegenüber einem bestimmten Land durch eine Positivliste
Über eine Einigung zu einer Positivliste lässt sich die in Rede stehende Boykotterklärung vermeiden und durch eine Übersichtsliste zur Güter- bzw. Teileherkunft ersetzen. Auf beiden Seiten besteht hinreichend Transparenz betreffend der als relevant erachteten geographischer Bezüge und das potenzielle Konfliktpotenzial im weiteren Geschäftsverlauf ist deutlich geschmälert. Gemäß Pressebericht wurde diese Option verwendet.
Option 3: Unterzeichnung des Vertrags durch eine Entität, welche nach türkischem Recht gegründet wurde
Nach §7 AWV ist es einem Inländer verboten, eine entsprechende Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr abzugeben. Erfolgt die Vertragsunterschrift durch eine ausländische Entität, ist das vorgenannte Verbot hingegen nicht einschlägig.
Mit Blick auf die Finanzwirtschaft dürften insbesondere Option 1 und Option 2 zum tragen kommen, da eine Positivliste, je nach Ausgestaltung, mit Blick auf einen volatilen Kundenbestand, internationale Transaktionen, unter anderem im Transaktionsbankengeschäft oder geographische Finanzierungsbezüge ganz praktischen Umsetzungshürden unterliegen könnte.
Quellen: Änderung der Außenwirtschaftsverordnung – Mögliche Auswirkung für Boykotterklärungsverbote und Investitionskontrollen | Deutschland | Global law firm | Norton Rose Fulbright , Zugverkauf in die Türkei: Siemens-Deal in der Kritik | tagesschau.de, § 7 AWV Boykotterklärung Außenwirtschaftsverordnung (buzer.de)
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