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Andreas

Ökonomische Auswirkungen von so genannten Smart Sanctions

Aktualisiert: 8. Juni 2023

Eine Analyse der EU-Russland Sanktionen nach 2014


Spätestens seit Februar 2022 ist die Thematik der Sanktionen allgegenwärtig. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine wurden im Eilverfahren bestehende Sanktionen verschärft und neue Sanktionspakete verhängt. Im Oktober 2022 wurde nun das 8. Sanktionspaket der EU verabschiedet und umfasst nun ein breites Spektrum von Wirtschaftsbereichen. Es gibt wohl kein global agierendes Unternehmen mit Sitz in der EU, das nicht zumindest indirekt von den Auswirkungen der Sanktionen betroffen ist.


Doch das Thema ist nicht erst seit diesem Jahr aktuell. Bereits seit 2014 sind europäische Sanktionen gegen Russland in Kraft. Das heißt seit über acht Jahren gibt es ein bestehendes Sanktionsregime gegen Russland. Doch was hat dieses eigentlich bewirkt? Und vor allem welche wirtschaftlichen Auswirkungen hatten diese auf Russland?


Inhaltlich habe ich mich in meiner Bachelorarbeit genau damit befasst: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen haben Sanktionen? Dabei habe ich mir die EU-Sanktionen gegen Russland im Nachgang zur Annexion der Krim angeschaut.


Dazu motiviert hat mich zweierlei: Erstens, was man aus dem Sanktionsregime damals lernen und auf heute übertragen kann. Zweitens hat es sich 2014/2015 um so genannte „Smart oder Targeted Sanctions“ gehandelt. Das sind Sanktionsregime, bei denen aus humanitären Gründen Kollateralschäden innerhalb der Zivilbevölkerung vermieden werden sollen, während politische Entscheidungsträger gezielt die Sanktionsauswirkungen spüren sollen.


Der Begriff Smart Sanctions ist an Smart Bombs angelehnt, die ebenfalls Kollateralschäden minimieren sollten, indem sie gezielt auf militärische Ziele gelenkt werden. Ähnlich verhält es sich mit Smart Sanctions. Sie sollen die Entscheidungsträger eines Landes treffen, das Militär, Unternehmen die für das Militär produzieren. Verschont werden sollen dabei all jene Menschen, die keinen Einfluss auf Geschehnisse haben. Demokratietheoretisch betrachtet eignen sich smart sanctions hauptsächlich für autokratisch regierte Länder, in denen die Macht nicht vom Volk ausgeht.


Zurück zu den EU-Sanktionen: Während Russland noch das Scheinreferendum für die Annexion der Krim vorbereitete, beschlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs am 06.03.2014 bereits erste Sanktionen. Dabei wurde vor allem Vermögenswerte von russischen Militärs eingefroren und Einreiseverbote verhängt. Bis Juni 2015 wurden die Sanktionen sukzessive erweitert und sollten Bestand haben, bis die Minsker Abkommen umgesetzt waren. Da dies nicht geschah, sind die Sanktionen zu großen Teilen bis 2022 in Kraft geblieben.


Abbildung: Entwicklung des russischen BIP zwischen 1990 und 2020


Wirft man einen Blick auf die Entwicklung des BIPs von Russland um 2014/2015, erkennt man einen Rückgang um knapp 2%. Die Sanktionen hatten darauf aber nur eine geringe Auswirkung. Wie viel genau ist schwer zu ermitteln. Viel mehr wird die Ölpreiskrise als Hauptverursacher des wirtschaftlichen Abschwungs genannt, wobei dies nicht weiter verwunderlich ist, da die russische Wirtschaft eine massive Abhängigkeit von Öl und Gas hat.

Makroökonomische Analysen ordnen die Auswirkungen der Sanktionen auf die Krise sehr unterschiedlich ein. Während die Weltbank davon spricht, dass die Sanktionen das russische BIP um ca. 1% gesenkt haben, spricht Citibank davon, dass die Sanktionen lediglich für 10% verantwortlich waren und der Ölpreis die restlichen 90% verursacht hat. Durch die Komplexität des makroökonomischen Umfelds ist es schwer diese Einflüsse auseinander zu differenzieren.


Die Sanktionen hatten nicht das Ziel die russische Wirtschaft in die Knie zu zwingen, sondern gezielt gewisse Bereiche und Sektoren zu sanktionieren. Dies war vor allem der Finanz- und Energiesektor, das Militär, sowie ausländisches Vermögen russischer Oligarchen.

Russische Banken, bei denen der Staat eine Mehrheitsbeteiligung hatte, wurden von den EU-Kapitalmärkten ausgeschlossen. Dadurch wurde die Kapitalbeschaffung für dringend benötigte Investitionsprojekte deutlich erschwert. Auch, dass europäische Förderprojekte eingestellt wurden, führte dazu, dass der Investitionsstau weiter anstieg. Vor 2014 kamen 60% der so genannten Foreign Direct Investments (FDI) aus der EU. Auch intensivere Kooperation mit Ländern wie China konnte dies nicht vollständig ersetzen.


Zur Erschließung neuer Gasvorkommen in der Ostsee ist Russland nach wie vor auf europäische Technologien angewiesen. Diese konnten durch die Sanktionen nicht mehr bereit gestellt werden, was Russland vor massive Probleme stellte.


Sanktionen haben den Ruf nicht sonderlich effizient zu sein und generell nur zu einem Wohlfahrtsverlust auf beiden Seiten zu führen. Sanktionsforscher, wie beispielsweise Gary Clyde Hufbauer, scheinen dies zu belegen. Hufbauers Analysen beziffern die Erfolgsrate von konventionellen Sanktionsregimen auf ca. 30%, dies deckt sich mit Forschungsergebnissen anderer renomierter Sanktionsforscher. Smart Sanctions hingegen scheinen mehr Erfolg zu haben, indem sie häufiger eine Verhandlungslösung folgen lassen.


Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Sanktionsregime Auswirkungen auf die gesamte russische Volkswirtschaft hatte. Dies war jedoch auch nicht beabsichtigt. Vielmehr wurden einzelne Sektoren Ziel der Sanktionen. Dort wo die Sanktionen ansetzten zeigten sie auch ihre Wirkung. Man muss sich jedoch fragen, ob nicht schon 2014 härtere Maßnahmen gegen Russland hätten ergriffen werden müssen.


Dieser Beitrag konnte das komplexe Thema der wirtschaftlichen Auswirkung von Sanktionen nur anreißen. Wenn ich ihr Interesse an der Bachelorarbeit geweckt habe, senden wir Ihnen gerne die vollständige Arbeit mit allen Belegen und Literaturverweisen zu.


Was denken Sie? Sind Sanktionen, und vor allem Smart Sanctions, das probate Mittel des 21. Jahrhundert? Diskutieren Sie gerne mit uns und lassen einen Kommentar da.


David Gebhardt

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